Veranstaltung von TujetschVIVAcultura vom 19. März 2022
Über 60 interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer versammelten sich am Sepplitag 2022 in der Sala Cristalla. TujetschVIVAcultura hatte eingeladen zur dritten Veranstaltung in diesem Jahr. Thema: Geologie und Mineralogie des Tujetsch. Im Publikum war ein nicht geringer Teil fachkundiger einheimischer Strahler, die sicher mit hohen Erwartungen gekommen waren. Und diese wurden nicht enttäuscht. Yves Bonanomi, Geologe und «vermutlich bester Kenner des Gebiets», wie er vorgestellt wurde, wusste die Aufmerksamkeit des Auditoriums mit spannenden Ausführungen zu fesseln.
Gespannte Aufmerksamkeit im Saal
Er verriet uns das Kochrezept für den Reichtum an Kristallen im Tujetsch.
Dafür braucht es zuerst möglichst viele verschiedene Gesteine auf engem Raum. Und in dieser Beziehung hat das Tujetsch enorm viel zu bieten. Dank verschiedener Gebirgsbildungen wurden im Laufe der Jahrmillionen gerade im Raum Tujetsch Gesteinsmassen ganz unterschiedlicher Herkunft und Alter wie in einer riesigen Knetmaschine zusammengeschoben, in die Tiefen des Erdmantels gedrückt, wieder «hochgespült», zerbrochen und vermischt. Die heutige Vielfalt der Gesteinsarten im Gebiet ist ausserordentlich.
Als weitere Zutat braucht es Hefe, die zur Bildung von Löchern in den Gesteinen führt. Diese Rolle übernimmt in der Geologie die Verschiebung der Kontinente (Plattentektonik), die in einzelnen Gesteinsschichten zu Zerrungen führt. Noch sind die dadurch entstandenen Löcher, die heutigen Klüfte, leer. Sie füllen sich aber rasch mit Flüssigkeiten und Gasen, angereichert mit gelösten Mineralien, die aus den vielfältigen Gesteinsarten der Umgebung ausgeschwemmt wurden. Jede unterschiedliche Zusammensetzung der Wirtsgesteine führt zu anderen Mineralien, die in den Klüften auskristallisieren. So brachte das steinreiche Tujetsch die Vielfalt an Kristallen hervor, die z.B. im Museum Truaisch zu bewundern ist.
Der eigentliche Kochprozess geschieht dann bei rund 450 Grad in einer Tiefe von etwa 12 bis 14 km. Jetzt braucht es nur noch die Abkühlung, damit die Mineralien auskristallisieren – und dies übernimmt die Alpenhebung. Im Laufe von rund 15 Millionen Jahren hob sich das Gebirge im heutigen Tujetsch, bis es jetzt an der Oberfläche ist und die Klüfte für die Strahler zugänglich sind. Jährlich wird ein Millimeter des Gebirges abgetragen und entsprechend hebt sich das Gebirge jährlich um einen Millimeter . Die Strahler können sich noch ein paar tausend Jahre auf immer wieder neue Funde freuen, in einer Million Jahren aber dürfte diese Herrlichkeit zu Ende sein.
Zwar konnte Yves Bonanomi nicht verraten, wo genau die besten Klüfte zu finden sind. Er konnte aber wissenschaftlich erklären, weshalb in der Cavradi-Schlucht die reinsten Kristalle zu finden sind und wo man sich vergeblich auf die Suche nach einem Milarit machen würde. Und er erreichte, dass viele im Publikum die Felsen des Tujetsch künftig mit noch mehr Interesse und Kenntnissen an Geologie betrachten.
Angeregte Diskussion mit dem Referenten
Der anschliessende Apéro gab Gelegenheit, sich nochmals auszutauschen und vielleicht die letzten, noch offenen Fragen zu klären. Wir alle gingen mit vollen Köpfen und einem grossen Zuwachs an Wissen aus dem Saal, waren aber doch ganz froh als der Referent zum Abschluss versprach, uns keiner Prüfung zu unterziehen.
Die anwesenden drei Verantwortlichen von TujetschVIVAcultura freuen sich zusammen mit dem Referenten über den gelungenen Anlass.
André Schmid (Forum cultural Tujetsch), Markus Müller (IG Tujetsch), Yves Bonanomi, Tarcisi Hendry (Museum La Truaisch)
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